Etienne-Bach-Preis in Datteln verliehen

Für Gerda Koch steht das „nie wieder“ im Fokus

 

Von Martina Bialas, Dattelner Morgenpost, 14. November 2022

 

Gerda E. H. Koch arbeitet gegen das Vergessen der Judenverfolgung – Alan Hoffstadter setzt Zeichen der Versöhnung. Beide wurden nun in Datteln geehrt.

 

Preisträgerin Gerda E. H. Koch (re.) freut sich über die Urkunde, die ihr von den Presbytern Christa Walter und Hans-Joachim Broszda überreicht wird. Pfarrer Thomas Mämecke begleitet die Verleihung.

 

Pastor und Gastgeber Thomas Mämecke richtete seine ersten Worte an Alan Hoffstadter, einen der beiden Preisträger des Etienne-Bach-Preises, der über ein Konferenztool aus dem Bundesstaat Illinois dazu geschaltet wurde und auf einer großen Leinwand erschien: „Ihre Stimme erfüllt die Lutherkirche.“ Sein Bildschirmhintergrund zeigte die Amanduskirche, für ihn war es gerade fünf Uhr morgens – für die Dattelner war es Sonntagmittag.

 

Gerda E.H. Koch, die zweite Preisträgerin, nahm auf einer Kirchenbank Platz. Gut 60 Personen begleiteten die Veranstaltung, die gleichzeitig die diesjährige Gedenkveranstaltung der Stadt und Kirchengemeinden zum Novemberpogrom von 1938 war.

 

Etienne Bach, verstorbener Namensgeber für den Preis, hat sich während des Zweiten Weltkrieges als Widerstandskämpfer gezeigt und sich für die Rettung verfolgter Juden eingesetzt. Die Preisträger werden alle zwei Jahre von den Presbytern festgelegt, der Festakt fand zum dritten Mal in Datteln statt.

 

Die musikalische Untermalung hatten die beiden Brüder Gotthard (Klavier) und Anatholy Moseler (Violine) übernommen und beeindruckten die Gäste mit ihrem brillanten Spiel. Die Laudatio zur Würdigung der Preisträgerin Gerda E. H. Koch hielt Jörg Schürmann, Schulleiter des Theodor-Heuss-Gymnasiums in Recklinghausen und Vorstandsmitglied im Verein für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Er befürwortet die Auszeichnung, die ein Zeichen gegen Judenfeindschaft und Antisemitismus setzt. Gerda E. H. Koch setzt sich für die Vereinigung von Christen und Juden ein und wird nicht müde, Vorträge und Ausstellungen zu organisieren, um unter anderem auch in Schulen eine lebendige Gedenkkultur zu gestalten.

 

Ein Stück Datteln lebt in Chicago

 Das „nie wieder“ steht für sie im Vordergrund. Mit ihrer Gabe auf Menschen zuzugehen, schaffte sie ein großes Netzwerk, das gegen das Vergessen arbeitet. Sie zeigte sich überrascht und berührt von ihrer Ehrung. Sie wird das damit verbundene Preisgeld von 500 Euro für das Schulprojekt im Vest „Schule gegen Antisemitismus“ stiften. „Denn schöne Worte allein – egal, wie wichtig sie sind – helfen nicht allein.“

 

Bürgermeister André Dora übernahm die Laudatio für Alan Hoffstadter, mit dem er seit 2016 in Kontakt steht. Der Sohn von Charlotte Goldberg, die bereits im Teenageralter aus Deutschland flüchtete, hat selbst nur wenig von den Nazi-Gräueltaten mitbekommen. Seine Mutter habe ihm eher von einem unbeschwerten Dattelner Leben berichtet. Seine Verbindung zur Kanalstadt ist daher eher unbelastet und viele Fotos aus Datteln finden sich in seinem Familienbesitz.

 

Superintendentin Saskia Karpenstein, Pastor Mämecke, Alan Hoffstadter, die Preisträger Gerda E. H. Koch und Alan Hoffstadter sowie die beiden Laudatoren Bürgermeister André Dora und Jörg Schürmann (von li. nach re.) finden sich nach der Preisverleihung für ein gemeinsames Foto zusammen.

 

Mit seiner Hilfe konnte auch die Frage nach dem genauen Aussehen der damaligen Synagoge an der damaligen Türkenstraße, heute Türkenort 1, beantwortet werden. „Alan Hoffstadter ist die personifizierte Hand der Versöhnung“, begründete Dora den Preis an den Amerikaner. Der versteht die deutsche Sprache sehr gut, kann sie selbst jedoch nicht sprechen. Das hinderte ihn jedoch nicht, eine kleine Dankesrede zu halten. Er sieht sich als Diplomat, als einen Brückenbauer zwischen den Ländern und Kontinenten. „Alles, was ich mache, ist selbstverständlich.“

 

Die Abschlussrede hielt die Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises Recklinghausen, Saskia Karpenstein. Sie verwies auf das Begehen im letzten Jahr des 1700-jährigen Bestehens des jüdischen Lebens in Deutschland, ein wichtiges Thema für die evangelische Kirche. Für die beiden Preisträger gab es viel Applaus, das Preisgeld und eine Urkunde. Nach der Preisverleihung wurde zum Empfang ins Etienne-Bach-Haus geladen. Hier wurden Bilder zur jüdischen Geschichte Dattelns gezeigt, ein kleiner Imbiss gereicht und ein reger Austausch untereinander konnte beginnen.

 

 

Kulturelle Vielfalt macht unsere Gesellschaft stark

 

Evangelische Kirchengemeinde honoriert gesellschaftliches Engagement

 

Von Seabastian Balint, Dattelner Morgenpost, 18. November 2019

 

DATTELN. Seit fünf Jahren findet in Datteln das Fest der Kulturen statt. Dafür wurde jetzt das Team um Tülin Engüdar und Kirsten Augello ausgezeichnet.

 

Feierliche Ehrung des Organisations-Teams des "Festes der Kulturen" mit dem Etienne-Bach-Preis 2019.

 

 

So traurig der Anlass für Tülin Engüdar vor fünf Jahren war, so froh ist sie jetzt über den Erfolg, den sie und ihre Helfer mit dem Fest der Kulturen feiern. Für ihr Engagementwurde dem Orga-Team am Sonntag in der Lutherkirche der Etienne-Bach-Preis verliehen.

 

Ausschlaggebend sei die erste Welle von Pegida-Demonstrationen gewesen, die in ihr das Bedürfnis geweckt hätten, den oftmals rechten und in Teilen sogar rassistischen Parolen der Demonstranten etwas entgegenzusetzen, erzählt Tülin Engüdar. Dabei musste ich erst einmal meine eigenen Vorurteile überwinden“, erklärt sie den Gästen. Sie sei mit der Idee, das Fest der Kulturen zu feiern, bei Bürgermeister André Dora vorstellig geworden, erinnert sie sich. „Ich dachte, das dauert jetzt bestimmt alles ganz lange, bis es da eine Entscheidung gibt.“ Immerhin „wisse“ man ja, dass Verwaltungen im Allgemeinen sehr langsam arbeiten würden. „Aber es dauert keine fünf Minuten und ich hatte André Doras Zusage“, so Tülin. Und Dora erinnert sich gern an diesen Moment. „Ich war gerade Bürgermeister geworden“, beschreibt er die Situation, „da stellte Tülin mir die Idee vor. Ich war einen Moment lang skeptisch.“ Tülin Engüdar habe jedoch beharrlich an ihrer Idee festgehalten und so schlussendlich überzeugen können. Für eben diese Beharrlichkeit dankte der Bürgermeister der Initiatorin, die mittlerweile in Berlin lebt.

 

An der Preisverleihung nahmen Vertreter der Amanduskirche, des Türkischen Kulturvereins, Vertreter des Rates, der Lokalpolitik sowie Bürgermeisterin Zaphne Stretton aus dem englischen Cannock samt Delegation teil. Überreicht wurde der Preis von Pfarrer Thomas Mämecke, die Laudatio hielt Stephanie Krause von der Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen in NRW.

 

Die Brüder Anatholy und Gotthard Moseler sorgten, begleitet von ihrer Mutter Irina Tseytlina, in der Kirche für den passenden musikalischen Rahmen.

 

 

Etienne-Bach-Preis

Auszeichnung für Zaphne Stretton

 

Von Björn Korte, Dattelner Morgenpost, 20. November 2017

 

DATTELN. Erstmals ist der von der evangelischen Kirchengemeinde Datteln initiierte Etienne-Bach-Preis verliehen worden – an eine Britin.

 

Großer Bahnhof für Zaphne Stretton (M.), der in der Lutherkirche der erstmals verliehene Etienne-Bach-Preis überreicht wurde. Mit im Bild: amtierende und ehemalige Bürgermeister, Gemeindevertreter, britische Gäste und weitere Freunde der Städtepartnerschaft Datteln/Cannock.

 

Erste Preisträgerin ist Zaphne Stretton (73), die sich in besonderem Maße um die Städtepartnerschaft Datteln/Cannock verdient gemacht hat.

 

In einer Feierstunde nach dem Sonntagsgottesdienst in der Lutherkirche wurde der ehemaligen Bürgermeisterin Cannocks die Auszeichnung überreicht. Zaphne Stretton habe mit ihrem jahrzehntelangen ehrenamtlichen Engagement für die britisch-deutsche Freundschaft „eine Brücke zwischen zwei ehemals verfeindeten Ländern gebaut“, sagte Pfarrer Thomas Mämecke.

 

Den nach dem französischen Offizier und Theologen Etienne Bach (1892-1986) benannten Preis überreichte Pfarrerin Susanne Kuckshoff, Vorsitzende des Presbyteriums der Gemeinde. Von den Gästen im Kirchraum gab es Standing Ovations.

 

„Ich könnte nicht stolzer sein, als ich es heute bin“, sagte die 73-Jährige sichtlich gerührt in ihrer Dankesrede. Sie erinnerte daran, wie sie im August 1989 erstmals nach Datteln kam. Es war ihr erster Deutschlandaufenthalt – und sie habe damals Angst gehabt, die Deutschen, den ehemaligen Feind aus Kriegstagen, zu treffen. Umso überwältigter war sie von der herzlichen Begrüßung. „Da habe ich mich bestärkt gefühlt, mich für die Völkerverständigung einzusetzen“, sagt Zaphne Stretton. Sie war damals Cannocks Bürgermeisterin. Ihre Mutter habe sie zur ersten Fahrt überreden müssen. An Zaphne Strettons Geburtstag im Kriegsjahr 1944 starb ihr Bruder. Und der Mutter war es ein Herzenswunsch, dass aus der Jugend der ehemaligen Kriegsgegner Freunde werden. Diesen Auftrag habe Zaphne Stretton „mit Herz und Verstand ausgeführt“, lobte Dattelns Bürgermeister André Dora . „Sie ist seit 20 Jahren der Motor unserer Städtepartnerschaft.“ Zaphne Stretton, die noch immer im Cannocker Stadtrat sitzt, ist überzeugt davon, dass auch ein harter Brexit der gewachsenen Städtefreundschaft nichts anhaben könnte.

 

Mit dem Etienne-Bach-Preis wollte die evangelische Kirchengemeinde „in Zeiten von Brexit und dem wiedererwachten Nationalismus in manchen Ländern Europas ein Zeichen für Völkerverständigung und die Kooperation in Europa setzen“, sagte Pfarrer Thomas Mämecke und bedankte sich bei allen, die sich seit 1971 für die Städtepartnerschaft Datteln/Cannock eingesetzt „und sie mit Leben gefüllt haben.“

 

Musikalisch begleitet wurde die Feier in der Lutherkirche vom jungen Geigenvirtuosen Anatolie Moseler und dessen Mutter Irina Tseytlina am Klavier.

 

 

Der Etienne-Bach-Preis                                   Die Perlen der Stadt