100 Jahre Dattelner Abendmahl

 

Am Karfreitag vor 100 Jahren - es war der 30. März 1923 - reichten sich der franzöische Offizier Etienne Bach und der Vertreter des Amtes Datteln der Beigeordnete Karl Wille, im Lutherhaus nach dem Empfang von Brot und Wein die Hand. Ein Zeichen der Versöhnung zwischen „Erbfeinden“ zur Zeit der Ruhrbesetzung, die bis heute nichts von ihrer Strahlkraft verloren hat und zur Verständigung über Grenzen hinweg ermutigt. Aus Feinden wurden damals Gegner, die sich nicht länger hassen mussten, sondern von ihrem jeweiligen Standpunkt aus respektvoll nach konstruktiven Lösungen suchen konnten. Zum Wohl der ihnen anvertrauten Menschen.

 

Der Bericht über die Gedenkfeier in der Lutherkirche:

 

Festgottesdienst Lutherkirche

 

100 Jahre „Dattelner Abendmahl“

Präses Kurschus: „Kleine Wunder bahnen großen den Weg“

 

Von Danijela Budschun Redakteurin ,  19.03.2023,  Dattelner Morgenpost,vom 20. März 2023

 

Vor 100 Jahren reichten sich ein Franzose und ein Deutscher in Datteln die Hände. Den Festgottesdienst prägt ein aktueller Konflikt: der Krieg in der Ukraine.

 

„Versöhnung im Kleinen“ hatte Dr. Annette Kurschus ihre Rede anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des „Dattelner Abendmahls“ überschrieben. Die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen sprach vor zahlreichen Gläubigen in der gut gefüllten Lutherkirche. © Danijela Budschun

 

Aus Feinden wurden Gegner: Mit diesen Worten erinnerte Pfarrer Thomas Mämecke in seiner Begrüßung an jene Geste der Versöhnung, die sich am 30. März 1923 zwischen dem französischen Offizier Etienne Bach und dem Dattelner Beigeordneten Karl Wille ereignete und aus der viel Gutes erwuchs – unter anderem eine Friedensbewegung, die heute „Youth action for peace“ heißt und internationale Freiwilligendienste und Workcamps organisiert. Eine Geste, „die bis heute nichts von seiner Strahlkraft verloren hat und zur Verständigung über die Grenzen hinweg ermutigt“, sagte Mämecke.

 

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), Präses Dr. Annette Kurschus, sprach am Sonntag (19. März) in ihrer Predigt zu den zahlreichen Gläubigen in der gut gefüllten Lutherkirche von kleinen und großen Wundern, von Feindschaft und Hass, von Versöhnung und Frieden.

„Die großen Wunder der Geschichte fallen nicht vom Himmel. Kleine Wunder bahnen ihnen den Weg. Eines dieser kleinen Wunder ist jene unerwartete Begegnung , die sich vor einhundert Jahren in Ihrer Gemeinde zugetragen hat. Gerade jetzt, da Frieden so quälend aussichtslos erscheint und jeder Weg dahin verbaut; gerade jetzt, da neue Feindschaften sich gefährlich verfestigen, brauchen wir Geschichten von solchen kleinen Wundern. Geschichten, die davon erzählen, wie unüberwindbare Verfeindungen auf wundersame Weise doch überwunden wurden“, so Kurschus.

 

Ohne Begegnung besteht keine Chance“

Kurschus schlug den Bogen von dem Abendmahl zwischen Bach und Wille zu den Verhandlungen zwischen Konrad Adenauer und Nikita Chruschtschow im Jahr 1955, als der deutsche Kanzler mit seiner Delegation in Moskau Kriegsgefangene freizubekommen versuchte. Beschrieb, wie der Politiker Carlo Schmidt damals mit Worten, in denen er an Großherzigkeit und Menschlichkeit appellierte, für einen Durchbruch in den festgefahrenen Verhandlungen sorgte.

Und schlug den Bogen weiter, ins Hier und Jetzt. „Ich erzähle das, weil ich überzeugt bin, dass der dringend nötige Waffenstillstand nicht allein auf dem Schlachtfeld errungen wird.“ Es sei wichtig, dass auch in diesem Krieg wirklich menschliche Begegnungen möglich blieben, auch wenn sie vielleicht aussichtslos und sinnlos erscheinen. Etienne Bach habe verstanden, „dass es ohne Begegnung und Aussprache keine Chance auf Versöhnung gibt – und ohne Versöhnung keine Chance auf Frieden.“

 

Der Chor „Gospel Vestcination“ der Evangelischen Kirchengemeinde Datteln unter Leitung von Thomas Roth sang „Here I am to worship“, „The little light of mine“ und „Give thanks“. Musikalisch gestaltet wurde der Festgottesdienst zudem vom Bläserkreis der Gemeinde unter der Leitung von Kantorin Irina Tseytlina. © Danijela Budschun

 

Im Anschluss an den Gottesdienst, der musikalisch vom Chor „Gospel Vestcination“ und dem Bläserkreis der Evangelischen Gemeinde gestaltet wurde, versammelten sich die Anwesenden zum Empfang im Etienne-Bach-Haus . Hier sprachen unter anderem Dr. Sarah-Christin Leder, die eine Doktorarbeit über das „Dattelner Abendmahl“ geschrieben, und Nikolaus Ell, der die bereits erwähnten Workcamps organisiert. Beide betonten die Relevanz von Friedensarbeit auf politischer, aber auch auf menschlicher Ebene. Nikolaus Ell formulierte es so: „Wir müssen unseren Kindern der Frieden erklären, damit sie nicht irgendwann jemanden den Krieg erklären.“

 

Historikerin Dr. Sarah-Christin Leder betonte in ihrer Rede im Etienne-Bach-Haus, wie wichtig Friedensarbeiten auf verschiedenen Ebenen ist. © Danijela Budschun