Wegekapelle, Höttingstraße 115
Darstellung der wesentlichen charakteristischen Merkmale des Denkmals:
Die kleine, würfelförmige fensterlose Wegekapelle ist ein Massivbau neugotischer einfacher Formensprache unter rückwärtig abgewalmtem Schieferdach altdeutscher Deckung. Zur Höttingstraße zeigt sie eine Schildwand mit Dreistaffelgiebel samt bekrönendem Kreuz und der Inschrifttafel „JHS“. Auf der Rückseite groß das Jahr ihrer Errichtung 1894. Sie hat gleichmäßig geschnittenen Quaderputz und ein profiliertes Kranzgesims.
Ein profilierter Spitzbogen auf der Schildwand gibt den Blick ins Innere frei. Auf Steinpflaster ein vom Jugendstil und Neubarock in der Formgebung beeinflusster jüngerer Altartisch aus (Kunst-) Stein auf Wangen und gesimsgezierter Platte.
Darauf ein übergroßes lateinisches Kreuz aus Holz, mit Sicherheit eine Weiterverwendung aus früheren Beständen. Die Muldendecke der Kapelle mit Paneelbrettern jetzt verkleidet. Schmiedeeisernes Abschlussgitter des Kapellenraumes bestehend aus einer einflügeligen Tür und einer freistehenden Füllung des Tympanons. Letzte Renovierung des Innenraumes den Formensprachen nach zu schließen wohl um 1970.
Die Kapelle liegt zwischen den beiden zugehörigen, großkronigen Kastanienbäumen vor der Bauflucht der Höttingstraße und links der Zufahrt zum Hof Knepper. Gegenüber entstand später das Betriebsgelände des 1913 fertiggestellten Wesel-Datteln-Kanals im Umfeld des Unterhafens der Schleuse Datteln (im jetzigen Zustand von 1929 und 1970). Das Messtischblatt von 1839 zeigt bereits den Lauf der gradlinigen späteren Höttingstraße südlich vom „Schwarzen Feld“ durch die „Schwarze Heide“, die vom Hof Kloth am nördlichen Rande des Sutumer Bruchs in der Bauerschaft Natrop kommend zum Hof Helting (später Hötting) läuft. Die auffällig geraden Wegeführungen dieser Gegend rühren aus dem Beginn der Landwirtschaft im Bruchland nördlich des Dorfes Natrop. Auch der Hof Knepper, aus dem die in Rede stehende Kapelle hervorging, findet sich bereits auf dieser Karte. Die gleichfalls bereits kartierte und nur vier Jahre vorher entstandene Provinzialstraße (B 235), die bei der Rauschenburg über die Lippe geht, läuft in diesem Bereich gerade. Mitten in Bruch und Heide entsteht 1894 die Kapelle. Bis auf ein paar Aufforstungen ist das Landschaftsbild umfassend verändert. Erst dann entspricht sie der allseits gewohnten Ruhrgebietsstruktur mit Bergarbeitersiedlungen, Verkehrswegen, Werksanlagen, selbst die Bauernhöfe sind durch von der Industriearchitektur beeinflusste neue Wirtschaftsgebäude geprägt.
Die Kapelle von 1894 ist somit ein baulicher und zeitlicher Markstein für den Umbruch einer historischen Struktur. Vorher und nachher sind selten so an einem Kleingebäude zu verdeutlichen, wobei allerdings noch der Anlass zur Errichtung der Kapelle offen bleibt. Mögliche Ansätze wären ein Neubau des Hofes, eine Brandkatastrophe oder der Nachklang an die Auswirkungen des Kulturkampfes und das Einsetzen einer neuen Volksfrömmigkeit.
Die Kapelle ist darum bedeutend für die Geschichte der engeren Heimat der dort wohnenden und arbeitenden Menschen und ferner bedeutend für die Ortslage Hötting in der Stadt Datteln. Hier hebt sie sich durch Gestalt und Charakter von den übrigen Gebäuden und Anlagen als bauliche Äußerung des katholischen Bekenntnisses ab. Vom Typ her unschwer als Wegekapelle aus dem Ende des 19. Jahrhunderts kenntlich, vermittelt die kleine Kapelle Normen für den Vergleich und bei der Betrachtung mit anderen Leistungem des Bauschaffens dieser Zeit. Durch ihre Anordnung und Lage in der Örtlichkeit und durch ihre Gestaltung für sich allein oder in Verbindung mit anderen Anlagen belegt die Kapelle den historischen Entwicklungsprozess der Ortslage in nicht unerheblicher Weise, denn für den entscheidenden Umbruch in der Ortsentwicklungsgeschichte, der durch den Kanalbau ausgelöst wurde, ist die Kapelle das letzte wirklich auffällige und bis auf die geänderte Innenraumgestaltung beinahe unverfälscht überkommene Zeugnis aus der vorindustriellen Zeit.
Für den Denkmalwert sind folgende Gründe namhaft zu machen:
Wissenschaftliche Gründe für den Denkmalschutz liegen wegen der besonderen Details an der Wandgestaltung durch den besonders gut erhaltenen Quaderputz, wegen der Gesimse und der Giebelfläche vor,
weil das kleine stilreine neugotische Gebäude mit baukünstlerischem Anspruch errichtet ist.
Die Kapelle liegt am Prozessionsweg, den die Dattelner Schützengilde von 1397 und die ihr zugehörenden weiteren Gilden und Bruderschaften jährlich nehmen. Hierbei ist die Kapelle lebendiger Gegenstand religiösvolkstümlicher Erbauung und Belehrung, so dass auch volkskundliche Gründe namhaft zu machen sind.
Städtebauliche Gründe liegen vor, weil die Kapelle vor der allgemeinen Bauflucht der seit altersher schnurgeraden Höttingstraße liegend die Erscheinung des Straßenbildes bestimmt und charakterisiert. Von daher besteht zwischen der Kapelle und den übrigen Anlagen und Gebäuden in der Höttingstraße eine enge Verbindung. Ohne das Objekt wäre darum ein wesentlicher Teil der die Straße prägenden Gebäude und Anlagen verloren, zumal das von den großen Kastanienbäumen auffällig flankierte Objekt eine große Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die Kapelle kann in ihrem konkreten Bestand aus der ihr innewohnenden funktionalen Einbindung in die gegebene städtebauliche und siedlungsbezogene Situation nicht herausgelöst werden, ohne dass diese erhaltenswerte Situation beeinträchtigt oder zerstört wird.
Daher handelt es sich bei der Wegekapelle Höttingstraße samt den beiden begleitenden Kastanienbäumen um ein Baudenkmal i. S. d. § 2.1 DschG NW, an dessen Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse besteht. Der Denkmalwert soll ausdrücklich nicht auf das Gebäudeäußere beschränkt sein, weil auch die ihm zuwachsende Ausstattung mit Tisch und Altarkreuz noch vollständig erhalten ist.
Tag der Eintragung: 24.02.2011
Nutzungsart: Wegekapelle