Sie beschmieren hellfarbene Wände mit ihren kruden Erkennungszeichen, sie treten Abfalleimer aus ihren Halterungen oder reißen Papierkörbe aus ihren Verankerungen, sie zerlegen Parkbänke in ihre Einzelteile, sie zerschlagen die Glasfronten von Wartehäuschen. Nun gipfelte der Vandalismus am vergangenen Sonntag darin, dass zwei bislang unbekannte junge Leute mit Hilfe eines Silvesterkrachers eines der markanten Wahrzeichen in der Dattelner Innenstadt zerstörten, die Persil-Uhr auf dem Neumarkt. Es ist nicht das erste Mal, dass die allseits bekannte kleine Landmarke vor der Stadtgalerie zertrümmert worden ist. Doch so schlimm wie jetzt hat es die Uhr noch nie getroffen.
Totalschaden der Dattelner Persil-Uhr.
Nicht nur die bunt gestalteten Glasscheiben mit der klassischen Persil-Werbung darauf sind zu Bruch gegangen. Dieses Mal hat es gleich die ganze Uhr zerfetzt. Selbst die Seitenteile des Sockels sind nach außen gebeult und zum Teil aus den Angeln gerissen worden. © Martin Pyplatz
In der Regel sind es junge Männer, die im Schatten der Dunkelheit diese Untaten begehen. Es ist ein Problem, das uns dauerhaft beschäftigt. Mir bleibt verschlossen, wie vielen anderen Menschen auch, was die jungen Männer bewegt, diese Schneise der Verwüstung nicht nur in unserer Stadt zu schlagen. All diese Sachschäden sind unter keinen Umständen zu rechtfertigen.
Menschen haben manchmal das Bedürfnis, ein ganz neues Leben zu beginnen. Bewusst oder unbewusst zerstören sie alles, was bisher ihr Leben ausgemacht hat. Suchen sie dann nach Anerkennung in ihrer Bezugsgruppe? Verstehen sie ihr „Werk“ als eine Mutprobe? Ist es Ausdruck ihrer schieren Wut gegen die „kalte, feindliche Welt“ der Erwachsenen? Experten sagen, es seien junge Menschen, die aus dem von Eltern bestimmten Leben ausbrechen wollen. Wie fühlen sich die jungen Männer nach ihren Taten?
Darf man überhaupt die Frage nach den Motiven stellen: Welchen Sinn machen diese zerstörerischen Aktivitäten, deren Schaden jeweils in die Tausende geht? Eröffnet sich den Betroffenen auf diese Weise eine neue Perspektive für ihr Leben?
Ich weiß es nicht, weil ich in meinem langen Leben niemals das Bedürfnis verspürte, derartiges zu tun. Bin ich nun krank – oder die zerstörungswilligen Jugendlichen?
Im Sockel der Uhr sind noch einige Einzelteile zu finden. Die Wände des Sockels sind durch die Wucht der Explosion nach außen gedrückt worden. © Stefan Korte
Weil die Persil-Uhr schon recht lange zum Stadtbild am Neumarkt gehört, trifft der Vorfall die Dattelner Seele. Zudem steht sie auch symbolisch für die Städtepartnerschaft mit Genthin, wo sich bis 2008 ein großes Werk von Henkel befand, dem Unternehmen, das die Uhr einst gespendet hat. In Deutschland gibt es insgesamt 32 Persil-Uhren, unter anderem auf dem Neumarkt in Recklinghausen Süd und in Dattelns Partnerstadt Genthin, wo Ex-Bürgermeister Wolfgang Werner sie gesehen hatte und unbedingt ein Modell auch in Datteln haben wollte.
Trauer und Wut
Auch die Mitglieder der Initiative Datteln überkommt Trauer und Wut beim Anblick des übriggebliebenen Stahlgerippes. Ob der unüberhörbare Chor der Entsetzten und Entrüsteten die Betroffenen jedoch überhaupt erreicht, bleibt abzuwarten. Natürlich wissen die Behörden um das Problem des Vandalismus. Der Kommunale Ordnungsdienst der Stadt fährt gerade in den Abendstunden verstärkt Streife an den bekannten Treffpunkten der Jugendlichen, die Stadtverwaltung steht in regem Kontakt mit der Polizei, auch die Polizei hat die Szene im Blick. Unbeantwortet bleibt die Frage, ob der Ausbau der aufsuchenden Jugendarbeit an den Brennpunkten des Vandalismus dazu beitragen kann, Abhilfe zu schaffen?
Von der Dattelner Persil-Uhr sind nur noch das Gerüst und die Beleuchtung übrig geblieben.
Sicherlich wird die Debatte, was tatsächlich nun mit der Persil-Uhr passieren wird, ob die Uhr dauerhaft ihren Standort auf dem Neumarkt behalten soll, in den nächsten Wochen angeregt geführt werden. Ob das Unternehmen ein weiteres Mal viel Geld für eine Reparatur in die Hand nehmen wird, steht noch in den Sternen. Polizei und Stadt hoffen, dass die Täter gefasst und dann auch zur Kasse gebeten werden. Die Kosten für eine Wiederinstandsetzung belaufen sich nach ersten Schätzungen für Material und Einbau auf mindestens 80.000 Euro. © Stefan Korte, Martin Pyplatz
Auch die Uhr selbst wurde bei der Explosion zerstört. © Stefan Korte
Reaktionen aus der Dattelner Bevölkerung:
„Das ist eine Riesensauerei, so etwas. Ich kann das überhaupt nicht verstehen. Wenigstens sind die Leuchtstoffröhren offensichtlich nicht beschädigt worden. Auf jeden Fall soll die Persil-Uhr wieder erneuert werden. Und bitte wieder an der gleichen Stelle. Ich habe mich an die Uhr schon so gewöhnt, weil ich dann nicht immer auf meine Armbanduhr schauen muss. Wenn es nach mir geht, dürften überhaupt keine Böller mehr verkauft und gezündet werden. Es sollte nur zu bestimmten Anlässen erlaubt werden, so wie es zum Beispiel beim Kanalfestival der Fall war.“ (Detlef Ressel (65), gebürtiger Dattelner, der seit April im Ruhestand ist)
„Ich war schockiert, als ich davon gehört habe. Natürlich habe ich mir das Video im Internet auch angesehen. Es ist unglaublich. Gerade, weil die Persil-Uhr schon mehrfach beschädigt wurde. Warum haben es Chaoten immer wieder auf diese Uhr abgesehen? Ich wohne erst seit einem Jahr in Datteln und mag diese Stadt. Die Persil-Uhr ist doch schon so etwas wie ein kleines Wahrzeichen für Datteln. Sie sollte darum auf jeden Fall wieder erneuert werden, und zwar an genau der gleichen Stelle. Und vielleicht gibt es auch noch eine Möglichkeit, sie besser zu schützen.“ (Jacqueline Reiners)
„Das haben, glaube ich, alle Dattelner mitbekommen, was da passiert ist. Ich habe das Video auf Facebook gesehen und war total entsetzt, wie man so etwas tun kann. Was soll so etwas? Ich bin der Meinung, dass die Uhr auf jeden Fall wieder aufgebaut werden soll. Für mich war sie früher immer ein Treffpunkt unter uns Freunden. Wir haben immer gesagt: Ich komme um 15 Uhr zur Persil-Uhr. Das bleibt mir unvergessen. Für mich ist sie auch so etwas wie ein kleines Wahrzeichen geworden, das eigentlich unantastbar sein sollte. Wenn man das Video sieht, könnte man glauben, es ist Krieg. So etwas darf nicht noch einmal passieren.“ (Dominik Krone (31), der die Uhr seit seiner Jugend kennt)
„Warum macht man so etwas? Ich war einfach schockiert, als ich das auf der Homepage der Dattelner Morgenpost gesehen habe. Es ist so unglaublich, dass meine Kollegen und ich uns das Video gleich mehrfach angesehen haben. Es ist einfach unglaublich. Die Uhr muss wieder aufgebaut werden. Viele Dattelner haben sich schon so an den Anblick gewöhnt. Es ist ein Stück Datteln, gerade an dieser zentralen Stelle. Deshalb sollte sie auch dort bleiben. Hoffentlich macht Henkel das mit. Es ist doch auch eine gute Werbung und versprüht auch ein wenig gute Laune. Ich würde sie sehr vermissen, wenn sie nicht mehr da wäre.“ (Claudia Fischer (55) aus Datteln)